Geschichte der Pflege- und Adoptiveltern

In der Familie kann leicht die Situation entstehen, dass das Verhalten des Kindes bei den Eltern eine emotionale Reaktion hervorruft, die deutlich stärker ist, als es der Situation entspricht. In diesem Fall kommt beim Erwachsenen eine eigene persönliche Erfahrung aus seiner frühen Zeit hoch und verstärkt die emotionale Reaktion auf das Verhalten des Kindes. Dadurch kann es sehr leicht zu einer Eskalation kommen, was dann das herausfordernde Verhalten des Kindes verstärkt.

Wenn ein solcher Kreislauf entsteht, benötigen Sie in erster Linie Unterstützung und Hilfe um wahrzunehmen, was abläuft, und um den ursprünglichen Schmerz des Erwachsenen versorgen zu können. Prä- und perinatale Arbeit eignet sich besonders gut dafür und hilft Ihnen, die heutige Situation mit dem Kind und die selbst erlebte frühere Situation getrennt zu sehen, dadurch dem Kind gegenüber gleichzeitig wertschätzend und klar zu sein. Ein Beispiel dafür ist: Die Mutter oder der Vater erinnert sich bei verletzenden Worten des Kindes: “Diesen Schmerz, abgewertet zu werden, kenne ich von früher und es tat sehr weh.” Danach fällt es leichter in Ruhe zu sagen: “Ich höre deine Wut und deine Verletzung und verstehe sie. Unabhängig davon bleibt es dabei, dass …”.

Durch die Arbeit an der eigenen Geschichte verändert sich die innere Haltung gegenüber dem Kind. Das ist stärker wirksam als willentliche oder aus Überlegung getroffene Verhaltensänderungen des Erwachsenen. Es kann zu innerer Zufriedenheit und einem Gefühl der Stimmigkeit kommen.

Wenn die Eltern nach Beschäftigung mit der eigenen Geschichte leichter mit den Situationen zurechtkommen, weil sie ihre eigenen heftigen Reaktionen zu sich nehmen und die Reaktionen des Kindes besser verstehen, kann es sein, dass auch das Kind darauf reagiert und eine Aufwärtsspirale entsteht.

Das bedeutet, dass alles, was Sie in Ihrer persönlichen Geschichte anschauen und bearbeiten, Ihnen im Zusammenleben mit Ihrem Kind hilft – ohne dass es jemals möglich ist, alles abschließend „verarbeitet“ zu haben.

Pflege- und Adoptiveltern stehen ihren Kindern neben ihren allgemeinen Erziehungsaufgaben immer wieder – unvermittelt und unvorbereitet – mit therapeutischen Elementen bei, auch dann, wenn ihr Kind von einem Therapeuten oder einer Therapeutin in einem offiziellen Setting begleitet wird. Die Eltern verbringen die meiste Zeit mit ihrem Kind und sie sind in den unterschiedlichsten Alltagssituationen dabei. Ein Beispiel für ein solches therapeutisches Element wäre Gefühle der Trauer oder des Schmerzes aufzugreifen, die plötzlich bei Gedanken an die Herkunftseltern auftauchen. Auch für diese therapeutische Aufgabe der Pflege- und Adoptiveltern ist es sehr hilfreich, wenn sie – wie alle Therapeuten – ihre eigene Geschichte in Selbsterfahrung oder Therapie anschauen.

Die Arbeit der Eltern an ihrer eigenen Geschichte und die Reflexion ihrer Erfahrungen als Pflege- oder Adoptivfamilie wirkt sich auch auf die erwachsenen Kinder aus, auch wenn sie schon aus dem Haus sind.

Prozessworkshops geben Eltern die Chance ihre eigene Geschichte anzuschauen oder auch die Möglichkeit, ihre Erfahrungen in der Pflege- oder Adoptivfamilie mit viel Unterstützung aus der Gruppe zu integrieren (in einem Schweigepflichtssetting).

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