Herausforderungen und Stärken sind gleichzeitig da

 

Kinder in Pflege- und Adoptivfamilien haben in ihrem Alltag auch ihre Geschichte mit dabei. Sie haben die Trennung von ihren Herkunftseltern erlebt – manchmal weitere belastende Erfahrungen. Sie hatten die Kraft, dies zu überleben und es bleibt ihnen die Aufgabe, mit dem Erlebten umzugehen und damit in ihrem Leben zurechtzukommen. Diese Erfahrung und Fähigkeit nimmt das Kind in sein Leben mit.

Die Herkunftseltern haben dem Kind das Leben geschenkt und leben mit dem Verlust des Kindes oder der nahen Beziehung.

Pflege- und Adoptiveltern bringen die Kraft des Wunsches, Eltern zu sein und den Abschied von anderen Wegen zum Elternsein mit. Auch sie bringen ihre eigene Geschichte mit Stärken und belastenden Erfahrungen mit und sie gaben ihr Ja, dem Kind ein Zuhause zu geben.

 

Pflege– und Adoptivfamilien erleben oft, dass Energien in frühen belastenden Erfahrungen blockiert sind – bei Kindern und Eltern. Immer wieder Verbindung mit dem ursprünglichen gesunden Kern aufzunehmen und sich auf dessen langsame Rhythmen einzustimmen ist ein Weg, um im Heute zurechtzukommen.

Stärken und Wunden in der persönlichen Geschichte liegen nah beieinander. Meine Arbeit möchte zum Blick auf die Stärken ermutigen und gleichzeitig Raum geben, Schmerzhaftes anzuschauen.

Frühe und heutige Erfahrungen benennen zu können und im Körper zu spüren führt dazu, dass Beziehung und Bindung wachsen können.

 

Im Alltag reinszeniert das Kind immer wieder beides – die schmerzliche Erfahrung, aber auch seine Fähigkeit durchzukommen. Hier hilft es, wenn die Eltern die reinszenierten Erfahrungen erkennen können und dem Kind helfen, die Gefühle zu verstehen.

Dabei können die Eltern es achtsam begleiten, die Spannungen, die es empfindet, aufnehmen und die Aufregung etwas abpuffern. Der Erwachsene nimmt die für das Kind noch unerträglichen Gefühle auf, „hält“ sie eine Weile, interpretiert sie und hilft damit sie zu verarbeiten.

Dieser Vorgang kann mit oder auch zum Teil ohne Worte erfolgen und hat eine bestimmte Reihenfolge:

  1. das Ereignis, das die heftigen Gefühle ausgelöst hat, mit einfachen Worten beschreiben („Du hast mich kurz nicht gesehen und hast nicht gewusst, wo ich bin.“

  2. die damit verbundenen Gefühle in Worte fassen und damit anerkennen („Da hast du plötzlich eine Bedrohung und große Angst gespürt, allein zu sein.“)

  3. mit einfachen Worten in die Lebenswelt des Kindes einordnen und dabei eine Perspektive geben („Das hat dich an früher erinnert. Jetzt bist du in Sicherheit.“)

  4. dem Erlebten eine Bedeutung geben („Solche Gefühle kommen immer wieder. Sie dürfen sein.“)

Damit unterstützen die Eltern das Kind in vielen Schleifen immer wieder, mit seinen starken Gefühlen zurechtzukommen. Es ist dabei sehr wichtig, dass die Reihenfolge eingehalten wird und der Erwachsene immer mit der Beschreibung beginnt. Beschwichtigung („Das ist nicht so schlimm, geht bald vorbei“) ohne die ersten beiden Elemente kommt nicht an.

Literatur: Ursula Henzinger, Bindung und Autonomie

Zurück zu Menü Themen


© 2023 Márta Guóth-Gumberger. Alle Rechte vorbehalten.